Was ist Visual Facilitation?

In Teammeetings oder Workshops braucht es manchmal jemanden, der nicht nur Bilder von dem Gesagten entwirft, sondern auch durch den Prozess führt, sprich, mit dem Stift in der Hand auch die Rolle des Moderators oder Facilitators übernimmt. Zusätzlich kann er oder sie Impulse für eine mögliche andere Herangehensweise oder Denkweise geben, weil er oder sie von außen auf die Welt der Workshop-Teilnehmenden blickt. Das ist dann Beratung mit dem Stift. Idealerweise bietet ihr dem Kunden ein Tandem an, bestehend aus einem Gra­phic Recorder und einem Facilitator. Dies ist Visual Facilitation,

Als Graphic Recorder ist es nützlich, ein paar Grundregeln aus dem Bereich Facilitation und/oder der Moderation zu beherrschen. Denn es kommt vor, dass ihr mit euren Rückfragen in oder vor einem Graphic Recording in das gesamte Geschehen (beispielsweise in den Change-Prozess) eingreifen könnt. Dafür sollten diese Fragen zieldienlich gestellt werden und den Prozess weiter voranbringen. Ein gewisses Facilitator-Know-how hilft mir dabei.

Die Aufgabe eines Visual Facilitators ist es, jede Stimme in den Raum zu holen und jede Meinung sichtbar zu machen, neben dem Festhalten der Ergebnisse natürlich. Facilitator helfen außerdem, den Prozess zu reflektieren, und kön­nen beratend eingreifen, wenn nächste Schritte geplant werden. Visual Facilitation vereint die Aufgaben eines Graphic Recorders mit denen eines Facilitators.

Einfache Tipps für ein gelungenes Visual Facilitation

Hilfreich ist es, den Kunden darauf hinzuweisen, dass ihr zwar die Rolle des Facilitators/Moderators übernehmen könnt, aber ein Graphic Recording unter diesen Umständen nicht die Qualität haben kann, wie ein Recording, auf das ihr euch zu 100 Prozent konzentrieren könnt. Eine Möglich­keit dabei ist, im Meeting nur Skizzen entstehen zu lassen und das Bild im Nachgang auszuarbeiten.

Wenn ich als Visual Facilitator arbeite, dann vereinbare ich zu Beginn mit der Gruppe einige Aspekte zur gelingenden Zusammenarbeit. Gerne sage ich an dieser Stelle, dass wir uns die Verantwortung für die Qualität teilen. Das be­deutet für mich und die Gruppe anzuerkennen, dass wir nur gemeinsam das bestmögliche Ergebnis erzielen können. Damit ist die Einladung, sich zu Wort zu melden und einen Beitrag zu leisten, für alle ausgesprochen. Hier ist auch der Raum, in dem alle das einbringen können, was ihnen für eine gute Zusam­menarbeit wichtig ist.

Neben den Vereinbarungen des Gelingens sind Grundannahmen wichtig, die eine innere Haltung beschreiben und die ein wirkungsvolles gemeinsames Arbeiten ermöglichen und erleichtern. Mich haben dazu die Grundannahmen inspiriert, die ich durch das Facilitator Curriculum der Kommunikationslotsen verinnerlichen konnte. Besonders wichtig sind mir die folgenden vier:

  • Das Wissen liegt in der Welt.
  • Alle wollen Verantwortung übernehmen und etwas Sinnvolles tun.
  • Jeder gibt immer sein Bestes.
  • »There is a leader in every chair.«

Als Visual Facilitator schafft ihr den Rahmen, um einen Inhalt gemeinsam zu entwickeln. Ihr könnt mit dem Stift Vorschläge machen und im wahrsten Sinne des Wortes Perspektiven aufzeichnen. Aber es geht niemals um »mein« Bild. Das heißt, es geht niemals darum, was ich gut finde. Sondern immer um das, was durch das Bild erreicht werden soll, »Wozu?« es das Bild gibt. Dafür solltet ihr euch als Visual Facilitator in den Hintergrund stellen und dafür sorgen, dass andere die Lorbeeren bekommen.

Aus: Graphic Recording (Martina Grigoleit), Seite 107: Visual Facilitation für die VDV Akademie im Auftrag für bikablo

Ein klar formuliertes Ziel

Bei der Auftragsklärung ist es wichtig, gezielt nach dem angestrebten Ergeb­nis zu fragen. Der Auftraggeber muss hier natürlich noch nicht wissen, wie das Bild aussehen soll, aber er kann wissen, ob am Ende z.B. eine Zielvereinbarung angestrebt wird oder ob auch Emotionen abgebildet werden sollen/dürfen. Ein klar formuliertes Ziel ist das A und O. Am Anfang geht es darum, den Kon­text, in dem das Bild entsteht und genutzt werden soll, genau zu hinterfragen. Das schützt vor falschen Erwartungshaltungen und möglichen Enttäuschun­gen auf allen Seiten.

Ein Visual Facilitator ist dann gefragt, wenn die Gruppe durch einen Prozess durchgeführt werden möchte und eine Visualisie­rung dafür dienen soll, diesen Prozess sichtbar zu machen. Da­bei kann am Ende, muss aber nicht, ein fertiges Bild entstehen. Mit dem Kunden Procedera habe ich zusammen mit etwa 25 Mitarbeitern dieses Zielbild entwickelt.

Aus: Graphic Recording (Martina Grigoleit), Seite 108/109.

Neben einer sehr detaillierten Vorbereitung und Auftragsklärung war dieser Workshop eine Explosion der Kreativität. Durch gezielte Fragen konnte ich die Teilnehmer von der Ist-Situation (im Bild unten links) hin zum Ziel führen. Die Stationen, die auf dem Weg entstehen, sind unterteilt in Leistung, Kunden, Team und Projekte. Diese vier Unterthemen sind das, was in diesem Workshop erarbeitet wurde. Der Ist- Zustand, als auch das Ziel waren definiert.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Graphic Recording“ von Martina Grigoleit. Alle Infos zum Buch, das Inhaltsverzeichnis und eine kostenlose Leseprobe findet ihr bei uns im Shop.

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