Eines der wichtigsten Werkzeuge eines Food-Fotografen ist die Schärfentiefe. Damit lenken wir geschickt den Blick des Betrachters auf das, was wir ihm im Bild zeigen wollen. Denn der menschliche Blick wandert automatisch immer zuerst dorthin im Bild, wo etwas scharf ist. Was genau im Bild scharf ist, hängt von einigen Faktoren ab (z.B. Sensorgröße, Abbildungsmaßstab …) und wird maßgeblich von der Blende beeinflusst, die wir verwenden. Je größer die Blende (je kleiner die Blendenzahl), desto weniger wird im Bild scharf sein bzw. desto mehr verschwimmt der Hintergrund.
Die Blende und dadurch die Schärfentiefe ist auch einer der wenigen Faktoren, bei denen (teures) Equipment einen Unterschied macht. Die Unschärfe, die in den meisten Food-Fotos zu sehen ist, wird man nicht mit einem Kit-Objektiv erzeugen können. Hierzu braucht man Objektive, die eine Blendenzahl von 2 oder geringer haben. Durch das Öffnen der Blende kann die Schärfentiefe verringert und das Essen vom Hintergrund isoliert werden, um die Aussage des Fotos dramatisch zu unterstützen.

Wichtig: Das Hero-Element, also der Hauptakteur im Bild, muss scharf sein! Dafür muss man die korrekte Blende verwenden. Welche das ist, lässt sich auf zwei Arten ermitteln: berechnen oder ausprobieren.
Mittels »Depth of Field Calculators«, die es als Smartphone-App oder auf Webseiten gibt, lässt sich berechnen, wie »lange« der Schärfenbereich im Bild sein wird. Dazu gibt man Werte wie Blende, Sensortyp und Entfernung vom Objekt an und erhält dann eine Zahl in cm. Wenn ich also will, dass der ganze Teller in meinem Foto scharf ist und ich dafür 30 cm Schärfentiefe benötige, kann ich das vorher berechnen und dann die entsprechenden Einstellungen vornehmen.
Die simplere Variante ist es, einfach auszuprobieren. Also ein Foto zu machen und dann zu kontrollieren, ob alles scharf ist, was im Bild scharf sein soll. Wenn nicht, einfach die Blende weiter schließen und nochmal probieren, bis der Schärfebereich passt. Dabei sollte man sich das Bild unbedingt am Laptop ansehen.Denn auf den kleinen Kameradisplays wirkt immer alles ganz scharf, selbst wenn das nicht der Fall ist. Wenn ihr nicht direkt in den Laptop fotografiert, dann zoomt auf dem Kameradisplay in das Bild hinein. Nur so könnt ihr feststellen, ob die Schärfe auch korrekt sitzt und erspart euch unangenehme Überraschungen.
Ein Fehler, der hier oft gemacht wird, ist, dass der Fokuspunkt nicht korrekt sitzt. Der Schärfentiefe-Bereich beginnt nicht ab dem Punkt, auf den man fokussiert, sondern verteilt sich um diesen herum, meist in der Ratio 1/3 davor und 2/3 dahinter. Wollt ihr also die 30 cm ausnutzen, damit der ganze Teller scharf ist, dürft ihr nicht am vorderen Rand fokussieren. So verschenkt ihr ungefähr 1/3 des Schärfebereichs und das hintere Drittel des Tellers wird unscharf. Besser ist es, auf einen Punkt etwa ein Drittel hinter dem vorderen Tellerrand zu fokussieren, um die Schärfentiefe optimal auszunutzen.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Foodfotografie“ von Cliff Kapatais. Alle Infos zum Buch, das Inhaltsverzeichnis und eine kostenlose Leseprobe findet ihr bei uns im Shop.