Drei der fünf wertvollsten Unternehmen der Welt – Apple, Google und Microsoft – haben ihre Geschäfte als Plattformunternehmen aufgebaut. Das Geheimnis ihres Erfolgs – und das vieler anderer Unternehmen – besteht darin, dass Online-Plattformen ihnen einige mächtige Vorteile bieten, die sie effektiv unterstützen.
Geringes Anlagevermögen bei digitalen Plattformen
Beim bis dahin größten Börsengang von Alibaba (es wurden 25 Milliarden Dollar eingefahren), war eins der Dinge, die mir auffielen, Alibabas Aufstieg inmitten anderer Mega-Plattformunternehmen, die im Vergleich zu ihrem Marktwert alle relativ wenig Anlagevermögen bzw. nur geringfügige Assets aufwiesen. Tom Goodwin, Senior Vice President bei Havas Media, merkte dazu einige Monate später an: »Uber, das weltgrößte Taxiunternehmen, besitzt keine Fahrzeuge. Facebook, das weltweit beliebteste Medienunternehmen, erzeugt keinen Inhalt. Alibaba, der wertvollste Einzelhändler, hat kein Inventar. Und Airbnb, der weltgrößte Anbieter von Übernachtungsmöglichkeiten, besitzt keine Immobilien. Hier geschieht etwas sehr Interessantes.«
Da Online-Plattformen die Aufgabe der Wertschöpfung zum größten Teil auf ihre Kunden verlagern, besitzen sie üblicherweise nur geringe Aktiva bzw. Assets. Unternehmen wie Airbnb haben sowohl wenig Kapital als auch geringe Betriebskosten. Im Vergleich zu den Gewinnen, die sie erzeugen, haben solche Unternehmen auch relativ wenige Angestellte, weil die Kunden einen Großteil der Arbeit erledigen, für die in vertikal strukturierten Unternehmen die Beschäftigten zuständig wären. In der Folge können Plattformunternehmen außerordentlich hohe Renditen erzielen.
Schnelles Skalieren bei Plattformunternehmen
Plattformunternehmen können extrem schnell wachsen. Möglich ist das durch ihre niedrigen Betriebskosten in Kombination mit einer skalierbaren Cloud-Computing-Architektur. Ein Diagramm des Userwachstums bei Airbnb sieht aus wie ein Hockeyschläger: Es zeigt einen Anstieg von 1.000 Prozent in drei Jahren. Die Fähigkeit von Plattformen, die Gewinne bei einer gleichzeitig nur relativ schleppenden
Zunahme der Beschäftigtenzahlen zu steigern, ist wahrscheinlich ein weiterer Faktor: Airbnb erzielte mit nur 600 Angestellten einen Gesamtumsatz an Buchungen von 4 Milliarden Dollar.
Seit dem Aufstieg des Internets wird die Liste der am schnellsten wachsenden neuen Unternehmen auf der Welt von denjenigen mit Plattform-Geschäftsmodellen dominiert. Um genau zu sein, sind acht der zehn wertvollsten global operierenden Firmen, die seit 1994 gegründet wurden, Plattformunternehmen.
»Winner-takes-all«-Prinzip – Der Gewinner bekommt alles
Sobald eine Online-Plattform erst einmal in ihrem Geschäftsbereich etabliert ist, wird es ziemlich schwierig, einen direkten Herausforderer mit einem ähnlichen Service an den Start zu bringen – eine unmittelbare Auswirkung der Macht der Netzwerkeffekte. Kunden melden sich eher bei einer Plattform an, die bereits breite Akzeptanz gefunden hat oder viele andere Kunden bzw. User vorweisen kann. Es wäre für einen direkten Wettbewerber recht schwierig, mit Facebook (bei den sozialen Netzwerken) oder Google (bei der Suche) gleichzuziehen oder neben Visa, MasterCard und American Express einen neuen Kreditkartenservice einzuführen.
In bestimmten Fällen neigen die Märkte zu einem echten »Winner-takes-all«-Szenario, bei dem letztlich nur eine Plattform existenzfähig ist. Ein Beispiel hierfür ist der Plattformkrieg zwischen Sonys Blu-Ray- und Toshibas HD-DVD-Format, der darüber entschied, welches System zum Standard bei High-Definition-
Film-Disks werden würde. Am Ende gewann Sony und das Blu-Ray-Format wurde zum einzigen Standard erhoben, den seither sowohl Hollywood-Studios als auch DVD-Player nutzen. Diese Art der »Winner-takes-all«-Konsolidierung tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit dann ein, wenn drei Faktoren gegeben sind:
- Das Multihoming – die Nutzung von mehr als einer Plattform – ist für den Kunden problematisch bis uninteressant (Beispiel: Normalerweise möchte sich niemand gleich zwei DVD-Player kaufen – die Anschaffung von zwei verschiedenen Kreditkarten ist dagegen durchaus üblich).
- Die indirekten Netzwerkeffekte sind stark ausgeprägt (so ist z.B. für die Zuschauer von Bedeutung, in welchem Format Hollywood seine Filme veröffentlicht, und für Hollywood ist von Belang, welches Format die Zuschauer benutzen).
- Die gebotenen Features unterscheiden sich lediglich geringfügig (beispielsweise hat es nie große Unterschiede bei den DVD-Playern gegeben – vielmehr kommt die Produktunterscheidung hier vor allem bei den Fernsehgeräten zum Tragen). Dieser wettbewerbsfeindliche Aspekt von Plattformen kann besorgniserregend sein, weil er monopolistisches Verhalten zu verstärken scheint.
Wirtschaftliche Effizienz von Online-Plattformen
Einer der faszinierendsten Vorteile von Plattform-Geschäftsmodellen ist, dass sie die effiziente Nutzung verteilter Nischen von wirtschaftlichem Wert ermöglichen (Arbeitskraft, Assets, Fähigkeiten), die ansonsten nicht effizient genutzt werden könnten. Das Ergebnis ist eine große Anzahl an Plattformen, die einzelne Akteure zusammenbringen und sie befähigen, wirtschaftlich etwas beizutragen. Das können Kleinsthändler sein, die nun ihre selbstgefertigten Produkte auf Etsy, Freiberufler, die auf Uber ihre
Dienste als Fahrer oder Kleinstmäzene, die feststellen, dass man bei Kickstarter (Crowdfunding-Plattform) auch mit 25 Dollar schon die Produktion eines unabhängigen Films unterstützen kann. In allen Fällen hätten die einzelnen Akteure niemals die Ressourcen, das passende Projekt, den passenden Bedarf oder den passenden Kunden zu suchen. Durch das Reduzieren der Transaktionskosten und das Zusammenbringen einer aus Partnern bestehenden Community können Plattformen ungenutzte wirtschaftliche Kapazitäten anzapfen.
Dieses Phänomen wird oft fälschlicherweise als »Sharing Economy« oder kurz als »Shareconomy« (Ökonomie des Teilens oder auch Ökonomie des Mitbenutzens) bezeichnet. Tatsächlich gibt es nur sehr wenige Plattformen, die Assets oder Arbeitsleistung kostenlos weitergeben – und die wenigen, die es tun, sind nur klein. Die beliebten Plattformen, die gemeinhin als Beweis der Shareconomy angesehen werden, sollten besser als »Rental Economy« (Ökonomie des Vermietens – Mieten von Gütern auf Airbnb), »Resell Economy« (Ökonomie des Weiterverkaufens – Verkauf gebrauchter Waren auf eBay) oder »Freelance Economy« (Freiberufler-Ökonomie – Verkauf von Arbeit bei Uber) angesehen werden.
Die Vorteile, die die Gesellschaft aus dem Freisetzen dieser Ressourcennischen zieht, mögen groß sein: Uber argumentiert zum Beispiel, dass sein Dienst die Anzahl der Autos auf den überfüllten Straßen in den Städten reduziert. Und Airbnb rühmt sich, dass es Haus- und Wohnungsbesitzern hilft, als Kleinstunternehmer ihren Verdienst aufzubessern. Doch die Vorteile dieser wirtschaftlichen Effizienz scheinen sich nur dann zu zeigen, wenn etwas verkauft wird, nicht aber beim Sharing, also dem Teilen.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Digitale Transformation – Das Playbook“ von David L. Rogers. Alle Infos zum Buch, das Inhaltsverzeichnis und eine kostenlose Leseprobe findet ihr bei uns im Shop.