Wissenschaftliche Arbeiten schreiben mit KI-Tools

Seit der breiten Verfügbarkeit von ChatGPT seit Ende November 2022 ist, wenn ich diesen Text schreibe, etwa ein halbes Jahr vergangen, in dem sich einiges getan hat! Wie die herkömmlichen Tools können KI-Tools Ihnen dabei helfen, das wissenschaftliche Arbeiten besser und effizienter zu gestalten. Unter Umständen nehmen sie Ihnen sogar deutlich mehr Arbeit ab.  

Zugleich stellt mich dieses Vorhaben in vielerlei Hinsicht vor Herausforderungen. Worin liegen diese?

1. Die KI-Tools sind noch sehr neu

KI-Tools und Sprachmodelle existieren schon seit Jahrzehnten. Die vergleichsweise kurze Verfügbarkeit von leistungsstarken Anwendungen zieht mindestens zwei große Fragen nach sich. Zum einen ist der rechtliche Rahmen noch lange nicht geklärt: Wann und wie dürfen KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten eigentlich verwendet werden, ohne dass bei Prüfungsleistungen Probleme entstehen? Zum anderen entwickeln die Hochschulen gerade erst ihre Haltung zum Umgang mit diesen Tools im Studium. Das bedeutet, dass Sie sich vor der Nutzung von KI-Tools an der Hochschule bei den zuständigen Stellen erkundigen sollten, wie diese den Umgang damit handhaben möchte. Mancherorts existieren dazu bereits Grundsatzpapiere und erste Richtlinien. Von dem Versuch, KI-Tools zu verbieten, über eine eingeschränkte Nutzung für bestimmte Zwecke bis hin zur vorbehaltlosen Befürwortung ist alles vertreten.  

2. KI-Tools und die Tool-Landschaft entwickeln sich rasant.

In Hinblick auf das wissenschaftliche Arbeiten habe ich noch keinen schnelleren und umfassenderen Wandel erlebt. Laufend kommt eine Vielzahl neuer Tools auf den Markt, ebenso vergrößert sich der Funktionsumfang bei bestehenden Tools. Zudem wird künstliche Intelligenz auch in normale Office-Anwendungen integriert. Funktionen, die heute noch unvorstellbar erscheinen, sind wahrscheinlich morgen schon alltäglich und kaum der Rede wert. All das macht es schwer, über KI-Tools so detailliert zu schreiben wie über herkömmliche Tools.  

An dieser Stelle möchte ich aus den genannten Gründen nach einer kurzen Einführung zu den grundlegenden Charakteristika von KI-Tools auf die Einsatzmöglichkeiten und Potenziale sowie die Gefahren eingehen, die beim wissenschaftlichen Arbeiten mit KI-Tools entstehen können.  

Was sind KI-Tools?

Wir haben es, vereinfacht beschrieben, mit Modellen zu tun, die mit bestimmten Daten trainiert werden und dann die wahrscheinlichste Antwort auf die an sie gestellten Anfragen errechnen. Es ist daher leicht nachzuvollziehen, dass die Qualität des Outputs eng mit der Qualität der Trainingsdaten und der Qualität des Trainings als solchem zusammenhängt. Selbstverständlich trägt auch die Qualität der Anfrage (der so genannte Prompt) zur Qualität der Ausgabe bei. Eine Vermenschlichung der Maschine ist nicht zielführend. Zu leicht vergessen wir dabei, dass eben im Hintergrund nur gerechnet und nicht gedacht, entschieden und schon gar nicht gefühlt wird – egal wie menschengemacht der Output klingen mag.  

Hinweis: KI-Textgeneratoren erschaffen Unikate, keine Plagiate.  

Für das wissenschaftliche Arbeiten sind vor allem textgenerierende Tools relevant. Wenn Sie Texte von einem solchen Tool verfassen lassen, läuft – anders als viele meinen – keine Recherche nach bereits vorhandenen Antworten ab, sondern es wird in Sekundenbruchteilen eine neue, höchstwahrscheinlich so noch nie dagewesene Antwort zusammengesetzt. Würden Sie die gleiche Anfrage noch einmal stellen, bekämen Sie eine andere Antwort. Auch Tools mit Zugriff auf das Internet stellen Unikate her und suchen nicht einfach nach vorhandenem Wissen.  

Einsatzmöglichkeiten und Potenziale von KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten

KI-Tools können derzeit bereits bei den meisten Schritten des wissenschaftlichen Arbeitens unterstützen. Sie helfen uns beim Brainstorming und beim Verfassen erster Textentwürfe, erstellen einen Gliederungsvorschlag (oder gleich fünf, von denen man den am besten geeigneten für die Weiterarbeit aussucht), unterstützen uns bei der Literaturrecherche sowie beim Lesen und Verstehen fremder Texte. Zudem können KI-Tools bei der sprachlichen Gestaltung der Texte helfen, indem sie Vorschläge für stilistische Verbesserungen machen und Feedback geben.  

Es mag sein, dass es durch KI-Tools gelingt, schneller ins Denken und Schreiben zu kommen. Da steht nun schließlich rund um die Uhr ein Werkzeug für etliche Teiltätigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens zur Verfügung. Vielleicht ist also der Zeitgewinn bei der konkreten Umsetzung nicht riesig, aber Sie kommen schneller zu dem Punkt, an dem Sie anfangen bzw. weitermachen können.  

Es ist außerdem denkbar, dass KI-Tools auch als »Abkürzungen« für langweilige Aufgaben und Routinetätigkeiten fungieren, indem sie etwa das Literaturverzeichnis auf formale Korrektheit prüfen oder schriftliche Inhalte in Präsentationen umwandeln (anstatt dass Sie mühsam alles von A nach B kopieren). In Zukunft werden viele Anwendungsfälle hinzukommen.  

Gefahren bei der Anwendung von KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten

Dieses Buch ist nicht der Ort, an dem eine ausführliche Betrachtung aller allgemein möglichen Gefahren stattfinden soll. Vielmehr möchte ich auf drei ausgewählte Punkte eingehen, die für Sie beim wissenschaftlichen Arbeiten relevant werden können.

Erstens sind die Sprachmodelle nur so gut wie ihre Trainingsdaten. Sie reproduzieren problematische Strukturen, die sie in den Daten finden. Diese Verzerrungen, die sogenannten Bias, können unterschiedlicher Natur sein, lassen sich aber letztlich als fehlende Diversität zusammenfassen.

Viele Textgrundlagen von KI-Modellen sind »WEIRD«, d.h. von der westlichen, gebildeten (educated), industrialisierten, reichen und demokratischen Gesellschaft geprägt. Auch wenn die Wörter »gebildet« und »demokratisch« erst einmal Gutes verheißen, ist es bekannt, dass auch in solchen Gesellschaften Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Geschlecht (um nur zwei Aspekte zu nennen) keine Seltenheit sind. All das spiegelt sich in den Modellen wider und kann am besten durch Menschen herausgefiltert werden. Dieser Umstand sollte Ihnen bewusst sein, wenn Sie KI-Tools einsetzen.

Zweitens: Da die Tools das nächste plausible Wort auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten ermitteln, aber kein echtes Verständnis für Sprache haben und nicht über das gleiche Orientierungswissen wie Menschen verfügen, passiert es, dass Erdachtes als Tatsache präsentiert wird. Hier ist dann das kritische Denken auf Seiten der Menschen gefragt.

Insbesondere bei wissenschaftlichen Quellenangaben sollten Sie aktuell noch aufmerksam sein. Oft werden echt aussehende Quellen genannt, die sich nach kurzer Recherche jedoch als nicht existent erweisen. Es wird sich zeigen, wie gut künftige Tools auf den Umgang mit wissenschaftlicher Literatur trainiert werden können.

Und schließlich, drittens, besteht eine Gefahr für personenbezogene Daten, wenn Sie diese in ein KI-Tool eingeben – was Sie demnach nicht tun sollten! Denn es ist nicht immer nachzuvollziehen, über welche Server diese Daten laufen, welche Modelle damit trainiert werden und wer sie über welche Wege in die Hände bekommen könnte.  

Schreiben mit KI-Tools

KI-Schreibassistenten gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Die bekanntesten sind ChatGPT und Open Assistant. Informieren Sie sich über aktuelle Tools auf der Website des VK:KIWA (in der Rubrik »Textproduktion«).

Überlegen Sie gut, wofür Sie diese Programme nutzen möchten. Textgeneratoren erzeugen im wahrsten Sinne des Wortes die wahrscheinlichste Antwort. Das Modell errechnet, mit welchem Wort der Text auf der Basis der Trainingsdaten am wahrscheinlichsten fortgeführt werden sollte.

Das bedeutet, dass Sie von KI-Schreibassistenten eher keine kreativen Glanzleistungen oder komplett neue Erkenntnisse erwarten dürfen. Dennoch können sie Ihnen beim Schreiben helfen, und zwar indem sie

  • mit Ihnen brainstormen und Sie auf (für Sie in dem Moment) neue Gedanken bringen
  • jederzeit für ein Frage-Antwort-Spiel bereitstehen (z.B. wenn Sie sich über ein Argument austauschen, für das Sie ein Gegenargument suchen)
  • Gedankenfetzen und Textanfänge weiterführen, sodass zumindest schon einmal ein Anfang auf dem berühmt-berüchtigten weißen Blatt gemacht ist.

Sie haben sicher bemerkt, dass ich Ihnen nicht vorgeschlagen habe, die KI-Tools Textbestandteile verfassen zu lassen, die Sie dann eins zu eins in Ihre Arbeit übernehmen. Denn zu einem lässt die Qualität der Texte oftmals noch zu wünschen übrig, sodass Sie sich damit keinen Gefallen täten. Zum anderen passt der KI-Output vermutlich nicht zur Schreibstimme des restlichen Texts. Das ließe Ihre Arbeit als Stückwerk erscheinen.  


Buch Wissenschaftliche Arbeiten schreiben

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben“ von Andrea Klein. Alle Infos zum Buch, das Inhaltsverzeichnis und eine kostenlose Leseprobe findet ihr bei uns im Shop.

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