Heutige Entwickler verwenden in erster Linie Hydrochinon und Metol als Grundbausteine. In der Frühzeit der Fotografie des 19. Jahrhunderts waren Rezepturen mit Pyrogallol weitverbreitet.
Pyrogallol ist aufgrund seiner vergleichsweisen hohen Giftigkeit, schwierigerer Anwendbarkeit und zudem niedrigen Empfindlichkeitsausnutzung mit der Zeit in den Hintergrund geraten und erst ab den 1980er- und 1990er-Jahren gewissermaßen neu entdeckt und an moderne Filmemulsionen angepasst worden.
Die Besonderheit von Pyrogallol-Entwicklern, von Anwendern liebevoll »Pyro« genannt, liegt in ihrer färbenden und gerbenden Wirkung. Bei der Entwicklung werden Farbstoffe, der sogenannte »Stain«, in der Emulsionsschicht eingelagert, die sich gewissermaßen in die Leerstellen zwischen den Silberkristallen legen und dadurch zu sehr dichten und homogenen Flächen führen. Je nach verwendeter Entwicklerrezeptur und Filmsorte ist der Farbton leicht unterschiedlich gelb, gelbgrün bis bräunlich.
Darüber hinaus hat Pyrogallol eine gerbende Wirkung auf die Gelatineschicht. Betrachtet man die Schichtseite hiermit entwickelter SchwarzWeiß-Filme leicht schräg gegen das Licht gehalten, erkennt man reliefartige Strukturen an den Übergangskanten von dunklen zu hellen Negativbereichen. Hierdurch erhält man einen verstärkten Kantenschärfeeffekt.
Die bekanntesten modernen Vertreter dieser Entwickler sind PMK (Pyro-Metol-Kodalk) von Gordon Hutchins, Pyrocat-HD von Sandy King und 510 Pyro von Zone Imaging. Wer sich vertiefender mit diesen speziellen Entwicklern befassen möchte, dem empfehle ich das l992 erstmalig erschienene, leider nur noch antiquarisch erhältliche Buch »The Book of Pyro and the PMK Formula« von Gordon Hutchins.
Während viele Pyro-Entwickler oftmals nur auf dem britischen oder amerikanischen Markt erhältlich sind, hat der deutsche Fotochemiehersteller Wolfgang Moersch mit Tanol, Tanol Speed, Finol und Pyro 48 vier verschiedene Varianten an stainenden Entwicklern im Angebot. Unterschiede finden sich in den als geeignet empfohlenen Filmsorten, der Stain-Dichte und -Farbigkeit sowie der zu erreichenden Filmempfindlichkeiten.
Für die von mir in den Bildbeispielen durchgeführten Tests habe ich den Moersch Pyro 48 gewählt, da dieser mit den häufig von mir verwendeten Delta-100- und Tri-X-Filmen die volle Empfindlichkeit von ISO 100 bzw. ISO 400 erreicht.

Wichtig: Unbedingt destilliertes Wasser zum Ansetzen der Lösungen verwenden. Verunreinigungen, insbesondere durch Metallpartikel im Leitungswasser, können zu Entwicklungsproblemen wie schwarzen Punkten in der Filmemulsion führen.
Die Vorteile der Filmentwicklung mit Pyrogallol
- Sehr feines Korn und hohe Schärfe, was sich bei anderen Entwicklern sonst eigentlich gegenseitig ausschließt
- Sehr homogene Bildflächen, besonders sichtbar in Bildbereichen ohne viel Motivdetails, wie z.B. Himmelbereiche
- Detaillierte Lichterzeichnung
- Durch die erhöhte Dichte eignen sich die Negative sehr gut als Vorlagen für alternative Edeldruckverfahren.
Die Nachteile der Filmentwicklung mit Pyrogallol
- Längere Belichtungszeiten bei Erstellen von Abzügen aufgrund der hohen Negativdichte
- Pyrogallol ist verhältnismäßig giftig und sollte mit der entsprechenden Vorsicht gehandhabt werden, insbesondere in Pulverform.
- Der eingelagerte Farbstoff kann die Multigradefilterung beeinflussen. Der Heiland-Splitgrade-Controller hat, um dies zu kompensieren, extra hierfür einen speziellen Modus für Filme mit Stain. Da die Farbigkeit aber je nach Entwickler und Filmtyp unterschiedlich ausfallen kann, ist dieser Modus nicht sehr präzise. Als Faustregel sollte man bei einem gelblichen Stain etwa 0,5–1 Gradation härter filtern als gemessen.
- Die meisten Filme erreichen in dieser Entwicklung nicht die volle Empfindlichkeit. Unbedingt die Herstellerangaben des Chemieherstellers beachten, damit die Filme bei der Aufnahme entsprechend angepasst belichtet werden können.
- Verhältnismäßig lange Filmentwicklungszeiten
Wichtig: Zur Fixage am besten einen neutralen Fixierer wie Rollei RXN oder alkalische Fixierer wie Moersch ATS alkalisch oder SPUR Ultrafix A verwenden, da regulärer saurer Fixierer den Stain-Effekt vermindern kann. Möchte man die Färbung bewusst nachträglich verringern, ist auch ein nachträgliches Bad in saurem Fixerer möglich. Danach muss erneut gewässert werden.
Hinweis: Lassen Sie sich nach der Entwicklung nicht von rötlichen oder gelben Verfärbungen des Stopp- und Fixierbads verunsichern. Diese werden durch die Farbe nicht in ihrer Wirksamkeit beeinflusst und können bedenkenlos weiterverwendet werden.



Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Analoge Fotografie“ von Marc Stache. Alle Infos zum Buch, das Inhaltsverzeichnis und eine kostenlose Leseprobe findet ihr bei uns im Shop.